DIE WELT IST NICHT GENUG

EIN ABEND AUF DER BONNERHÜTTE
Nicht unweit der Grenze zu Osttirol und oberhalb von Toblach im Pustertal – dem „Tor zu den Dolomiten“ – befindet sich unter dem Pfannhorn (2.663 m ü. d. M.) die Bonner Hütte (2.340 m ü. d. M.). Von hier aus genießt man einen herrlichen Ausblick auf die imposanten Gesteinsriesen. Die kleine Hütte ist bewirtschaftet, verfügt über ein paar Schlafplätze und liegt ein wenig abseits der berühmten Dolomiten-Hotspots – ideal also für alle, die nach Ruhe und Einfachheit in den Bergen suchen. Genau hier wollte ich im Februar 2016 zusammen mit meiner Frau Caroline das Wochenende verbringen. Wir brachen am späten Nachmittag von Zuhause auf und erreichten nach zwei Stunden unser Ziel. Gemeinsam mit drei weiteren Gästen, dem Hüttenwirt und seiner Mitarbeiterin genossen wir die Ruhe und die letzten Sonnenstrahlen auf der Terrasse. Die „bleichen Berge“ präsentierten sich, in ein glühendes Abendrot getaucht, von ihrer schönsten Seite. „Wie wenig man doch zum Glücklichsein braucht“, dachte ich.

In den Bergen und unten im Tal herrschte jedoch reges Treiben. Skigebiete wie Rotwand, Helm und Kronplatz teilten die Landschaft in beleuchtete Feuerschneisen. Die Scheinwerfer der Fahrzeuge bewegten sich durch die Täler bis auf die Pässe hinauf. Vom Tal bis in die höheren Lagen erstreckte sich ein Lichtermeer an Schneekanonen. An diesem Abend nahm ich diesen großen Kontrast intensiv und zum ersten Mal bewusst wahr. Wir, inmitten der Natur, und uns direkt gegenüber: die Tourismusindustrie, eine Maschinerie, die auch in der Nacht nicht zur Ruhe kommt. An diesem Abend haben wir noch darüber gesprochen. Viele mir unbeantwortete Fragen nahm ich am nächsten Tag vom Berg mit hinunter ins Tal. Für wen ist das Ganze gedacht? Wer profitiert davon? Wie viel Geld fließt hinein? Wie gut kann die Natur das alles verkraften? Wie nachhaltig kann Tourismus in den Bergen sein? Und: Wird der Klimawandel durch diese Industrie nicht noch begünstigt?

Ich persönlich bin mit dem Marketing der Tourismusbranche in Südtirol nicht einverstanden und kann mich damit auch nicht identifizieren. Die Nächtigungszahlen sowie diverse Beobachtungen zeigen aber, dass sehr viele diesen Tourismus suchen. Tendenz steigend. Ca. 30.000 Arbeitsplätze (Stand 2018) hängen direkt mit dem Tourismussektor zusammen und sogar ich verdankte meinen Sommerjob als Naturparkbetreuer wohl den steigenden Besucherzahlen. Was soll ich also tun? Muss ich mich dafür aussprechen, stillschweigend hinnehmen was mich stört? Mich dieser Tourismuspolitik fügen? Schwierig in Anbetracht dessen, dass die Natur immer weiter zurückgedrängt und erschlossen wird.

Touristen wollen unterhalten werden – sie geben sich nicht mit der Natur und frischer Luft zufrieden. Attraktionen müssen her, um Klein und Groß bei Laune zu halten. Am besten kombiniert man das Ganze und verbaut Abenteuerparks inmitten der schönsten Bergkulisse der Welt. Hätten wir uns in Südtirol vor Jahren nicht schon durch die Gründung von Naturparks und das Prädikat UNESCO-Weltnaturerbe vor uns selbst geschützt, hätte uns die Gier und Unersättlichkeit vermutlich über die gesamte Bergregion getrieben. Die geschützten Gebiete bleiben als kleine Refugien übrig und müssen dem Druck von außen standhalten.

 

IDEENFINDUNG
Von 2016 bis 2018 habe ich in den Sommermonaten als Naturparkbetreuer in den Naturparks „Drei Zinnen“ und „Fanes Sennes Prags“ gearbeitet. Sie liegen im Osten Südtirols und zählen zu den insgesamt sieben Naturparks. Zusammen nehmen sie eine Fläche von insgesamt 37.571 ha ein. Zu meinen Aufgaben gehörten unter anderem die Informations- und Sensibilisierungsarbeit vor Ort, geführte Wanderungen und das Beobachten und Kontrollieren von Steigen, Wegen und Beschilderungen auf Sicherheit, Sauberkeit und Funktionsmängel. Naturparkbetreuer fungieren außerdem als Schnittstelle zwischen der Abteilung 28 „Natur, Landschaft und Raumentwicklung“ der Autonomen Provinz Bozen und den diversen Naturparks des Landes.

Durch diese Arbeit habe ich mich nicht nur mit Flora und Fauna auseinandergesetzt, sondern fungierte auch als Zuhörer für die einheimische Bevölkerung, die mich immer wieder auf Missstände und Probleme aufmerksam gemacht hat: starker Reiseverkehr in den Seitentälern, mangelnde Parkplätze, unzureichend öffentliche Toiletten an den Zugängen der Parks, widerrechtliches Kampieren und abgelagerte Müllsäcke im Wald. Es gab Bauern, die sich über weggeworfenen Hundekot im Nylonsack auf den Feldern geärgert haben oder über Gäste, die ihr Picknick auf privatem Grund veranstalteten. Das alles sind Folgen des hohen Touristenstroms. In diesen Jahren habe ich viel über die Natur gelernt und mir die Meinung von Touristen sowie Einheimischen angehört, habe mit Bauern, Hütten- und Gastwirten gesprochen. Ich habe gelernt, wie Naturschutz funktioniert, welche Mittel zur Verfügung stehen und ebenso verstanden, wie schwierig das Ganze zu händeln ist. Noch nie zuvor habe ich solche Gegensätze aufeinanderprallen gesehen. Privat bin ich schon lange in der Natur unterwegs – als Kletterer und Bergsteiger. Doch erst durch die Arbeit im Park sind mir viele Dinge bewusst geworden. Tatsachen, die ich zuvor nicht beachtet und an die ich keine Gedanken verschwendet hatte. Dieses fotografische Projekt wäre ohne diese Jahre als Naturparkbetreuer nie zustande gekommen.

 

DER TITEL
„Die Welt ist nicht genug“, denke ich damals immer wieder – und auch heute noch. Wir sind nicht zufrieden mit den naturgegebenen Dingen. Wir müssen immerzu eingreifen, verschönern, erweitern, erklären und verbessern. Wir glauben, immer mehr zu brauchen, mehr von jenem, mehr von diesem. Mehr Stimulation. Mehr Erlebnis. Mehr oberflächliches Sein. Wir schätzen nie das, was unmittelbar vor uns liegt, sondern suchen immer nach etwas anderem, nach etwas scheinbar besserem. Wir müssen uns selbst immer einen Schritt voraus sein. Das, was wir besitzen, diese Schönheit, diese Einfachheit, das pure Sein in der Natur … All das ist nie ausreichend. Die Welt, wie sie uns in all ihrer Pracht geschenkt wurde, ist nie genug. Diesen Satz trage ich mit mir rum, wenn ich mit offenen Augen durch unsere Region gehe. Meine distanzierte Betrachtungsweise auf die Natur und mein Umfeld haben mich wahrscheinlich erst zu diesem Projekt bewogen. „Die Welt ist nicht genug“ ist daher auch sein Titel.

 

PROJEKTBESCHREIBUNG
2017 habe ich angefangen, künstlich erzeugte Motive zu fotografieren, die direkt in der Natur zu finden sind, mir dort aber irrsinnig vorkommen. Dafür war ich vor allem im Gebirge, auf Hochebenen, an Wildseen sowie in und um die Naturparks Südtirols unterwegs. Es handelt sich um Objekte, die von Menschenhand gemacht und irgendwo in der wunderschönen Landschaft deponiert wurden – lauter Attraktionen und Dinge, die direkt oder indirekt dem Tourismus zugutekommen sollen. Installationen, die der Unterhaltung, dem Komfort und der Erlebnisgesellschaft dienen. Da sind die lebensgroßen Urzeit-Dinos auf über 1.600 m Meereshöhe im Ahrntal, der Kunstrasen am Fuße des Boeseekofels, ein Klettergerüst aus Stahl und Kunststoff am Kronplatz, ein Fitnesspark am Piz Sorega. Ich finde den Ausdruck „Omnipräsente Möblierung der Landschaft“ (Hansruedi Müller, „Sanfter Tourismus“) hier sehr passend. Gewisse Einrichtungen erinnern im ersten Moment an eine Kunstinstallation, jedoch wird bald klar, dass es sich um Unterhaltungsmittel für Besucher*innen handelt. Wir lotsen sie weg von der einzigartigen Natur und Ruhe hin zum Trubel und zurück ins Urbane. So absurd es auch klingen mag: Wir bringen den Stadtmenschen ein Stück Heimat in die Berge.

Die Motive waren leicht zu finden: Ich fand sie in Tourismusbroschüren, auf Social-Media-Kanälen oder Webseiten, die ich nach familienfreundlichen Ausflugszielen durchsuchte. Erwähnenswert: Nicht nur Touristen, sondern auch Einheimische nehmen das Angebot dankend an. Ich frage mich, ob unsere Gesellschaft zu einer Spaßgesellschaft mutiert ist. Sind wir durch die dauernde Konfrontation mit Absurditäten und skurrilen Dingen derart abgestumpft, dass wir wirklich jegliches Angebot nutzen möchten? Viele Studien und Wissenschaftler:innen legen den Alpenregionen nahe, auf einen naturnahen Tourismus zu bauen. Dies bedeutet einen verantwortungsvollen Aufenthalt in unserer Natur- und Kulturlandschaft unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung anzubieten. Unsere Tourismusbranche ist anderweitig tätig und betreibt Marktforschung – sie beobachtet genau, wie die Nachbarländer touristisch arbeiten und möchte keineswegs auf diverse Märkte verzichten, z. B. auf die Sportart Downhill, um nur einen Trend zu nennen. Man schafft und verkauft einen Mix aus Natur- und Kulturlandschaft inklusive Inszenierung durch diverse Infrastrukturen. Alles um jeden Preis scheint die Devise zu sein. Was werden unsere Enkel davon halten?

Das Dolomiten UNESCO-Weltnaturerbe mit seinen Gipfeln und der einzigartigen Schönheit. Die letzten Gletscher der Alpen. Die Südtiroler Kultur und Brauchtümer. Unsere Schutzgebiete wie Natura 2000 und unsere Naturparks. Die gute Luft. Reicht all das nicht aus? Auf lange Sicht sollten wir auf das bauen, was uns ausmacht und nicht dem hinterherrennen, was die Nachfrage fordert. Authentizität lässt sich nicht so einfach ersetzen. Meine fotografische Arbeit ist daher ein Versuch, die Augen zu öffnen und uns zu lehren, diese Dinge zu hinterfragen und nicht einfach hinzunehmen. Das Verdichten und Reihenweise-Aufzeigen dieser Absurditäten wird so offensichtlich, dass der/die Betrachtende unweigerlich den eigenen Standpunkt hinterfragen muss.

 

DER TOURISMUS IN SÜDTIROL
Anfang der 1950er Jahre wurde die Straße zu den Drei Zinnen projektiert und der italienische Dichter Dino Buzzati malte sich folgendes Zukunftsszenario aus: „Dort oben wird also bald die Straße verlaufen. Was heute stundenlanges Abmühen erfordert, wird bald mit einigen Litern Benzin möglich sein. Die Autofahrer werden anhalten und die wenigen Unvernünftigen und Unglücklichen beobachten, die sich darauf versteifen, die schreckenerregenden Wände zu erklimmen; dazu werden sie aufgrund der geringen Entfernung nicht einmal einen Feldstecher benötigen. Am Einstieg zur Nordwand der großen Zinne, unter dem endlosen Abhang wird es ein Kaffeehaus mit Liegestühlen geben, damit die Touristen den Bergsteigern zuschauen können, ohne einen steifen Hals zu bekommen. Zwischen den Geröllhalden, im Herzen des Heiligtums, werden die Tanksäulen und riesige Werbeflächen glänzen, die Zahnpasta und Büchsenfleisch anpreisen und die von der düsteren Feierlichkeit der Felsen eingeschüchterten Augen erfreuen und zweifellos wird der Paternsattel der Höhepunkt des Giro d’Italia sein …“ (Quelle: Dauerausstellung Naturparkhaus Toblach) Glücklicherweise ist nicht alles so eingetroffen, was Buzzati voraussah.

Erst mal ein Blick in die frühere Vergangenheit: Am 20. November 1871 wurde die Pustertaler Bahnlinie in Betrieb genommen. Es war die Verbindung Villach–Franzensfeste und somit eine direkte Linie von Wien nach Oberitalien. Um die neue, aber schwach ausgelastete Strecke besser zu nutzen, setzte man auf den Zukunftsmarkt Fremdenverkehr. Tirol war für Erholung und seine zahlreichen Bäder bekannt. Ab 1850 begannen Alpinisten Tirol zu erkunden und der Wiener Paul Grohmann erstieg 1869 die große Zinne und die Dreischusterspitze. Das Bergsteigen wurde zur beliebten Freizeitaktivität und immer mehr Alpinist*innen und Wanderer*innen zog es in die Berge. Bald entstanden erste Schutzhütten und der Beruf des Bergführers, erste Alpenvereinssektionen wurden gegründet. Damit war die Grundlage für den Bergtourismus geschaffen. Pensionen, Gastbetriebe und sogenannte Grandhotels verpflegten die neuen Gäste. (Quelle: Heiss, Grandhotel Toblach). Der erste Weltkrieg und die Dolomitenfront bereiteten dem Ganzen ertmal ein jähes Ende. Bereits in den 1920er Jahren blühte der Fremdenverkehr jedoch wieder auf. 1950 gab es allein im Pustertal bereits 701.330 Ankünfte. Zum Vergleich: 2023 waren es 8.445.974. Das Publikum wird seit den 1990er Jahren internationaler und vermehrt anspruchsvoller. So sind beispielsweise die Zahlen der Nächtigungen in 1- und 2-Sterne-Betrieben rückläufig. Die Touristen bleiben weniger lang. 1990 waren es noch 6,4 durchschnittliche Aufenthaltstage und 2023 nur mehr 4,3. Campingplätze erleben seit den letzten zwanzig Jahren einen Aufwärtstrend und auch Urlaub auf dem Bauernhof erfährt steigenden Zuspruch. So hatte Südtirol im Jahr 2023 eine Gesamtnächtigungszahl von 36.134.880. Über das Jahr gerechnet bedeutet das fast 100.000 Touristennächtigungen pro Tag. Südtirol ist mit 536.933 Einwohnern nicht gerade ein großes Land (Stand 2023). Umgerechnet bedeutet dies, dass 2023 pro Einwohner 67,30 Touristen kommen. Im Pustertal waren es im Jahr 2022 sogar 123,58 Touristen pro Einwohner. (Quelle: Mahlknecht, Zeitreihe des Tourismus und Landesinstitiut für Statistik ASTAT).

 

FORMALER ASPEKT
Alle Bilder habe ich als stiller Beobachter und aus der Distanz fotografiert. Die Fotografien sind informativ und zeigen meist ein Objekt und dessen Umfeld oder geben einen Gesamtüberblick der Szenerie. Die meisten Aufnahmen entstanden mit einer Fujifilm Kompaktkamera mit Fixbrennweite von 23 mm (35 mm Kleinbildäquivalent). Auf Stilmittel zur Steigerung des ästhetischen Werts habe ich verzichtet. Das heißt, es gibt keine Verschönerungen und Idealisierungen, beispielsweise durch Kontraste wie Schärfe und Unschärfe oder besondere Licht-Schatten-Spiele. Auf das Herausarbeiten vereinfachter Formen und Details wurde ebenso verzichtet. Dadurch fehlt teilweise die Ordnung, aber genau das unterstreicht das Thema. Die Bilder sind im Buch auf Doppelseiten präsentiert – das gibt ihnen ausreichend Platz und der/die Betrachtende hat die Möglichkeit, die Details zu erkennen. Die einzelnen Bilder sind so fotografiert, dass sie durchaus Berechtigung in einem Tourismus-Werbeheft hätten. Erst das Aneinanderreihen unterstreicht meine Intention als Fotograf und den Zusammenhang, in dem ich sie stelle. Dies zeigt wiederum, wie sich der Kontext der Bilder auf inhaltlicher, moralischer und emotionaler Ebene ändern kann. Die Bilder sind bewusst kontrastreich und gesättigt, gewissermaßen „laut“. Man spürt einen Hauch von Ironie.

 

PSYCHOLOGISCHER ASPEKT
„Rücksichtsloses Streben nach Gewinn um jeden Preis“ – so wird Habgier von Rechtswissenschaftler*innen definiert. Sie gehört zum subjektiven Tatbestand (Mordmerkmal der ersten Gruppe). Habgier, auch als Raffgier, Habsucht oder Raffsucht bezeichnet, bedeutet übersteigertes Streben nach materiellem Besitz und gehört im Katholizismus zu den sieben Hauptsünden. Im Lukasevangelium, 12. Kapitel, Vers 15 heißt es: „Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier, denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.“ Im Epheserbrief, 5. Kapitel, Vers 5 steht sogar: „Ihr könnt sicher sein, dass kein unzüchtiger, unreiner oder habgieriger Mensch je das Reich Christi und Gottes miterben wird.“ (Quelle: Wikipedia). Und wenn wir schon bei Geschichten sind: Die Raupe Nimmersatt fraß alles, was ihr unterkam, bis ihr irgendwann der Bauch schmerzte und sie zur Einsicht kommen musste.
Vielleicht liegt es in unserer Natur, ein habgieriger Nimmersatt zu sein. Ich habe mir während meiner fotografischen Streifzüge diverse Gedanken dazu gemacht. Was treibt uns an, in die Natur derart aggressiv einzugreifen und dort zu bauen, wo bereits Vollkommenheit herrscht? Diese Eingriffe, wie ich sie nenne, dienen in erster Linie als touristisches Angebot und dazu, dem Druck unserer Nachbarländer und -regionen Paroli zu bieten. Man könnte daraus schließen, dass wir Angst vor Stagnation und Rezession haben und daher übereifrig handeln. Also könnte Angst eine treibende Kraft sein. Es ist gut vorstellbar, dass der immense Druck auf Unternehmen im Fremdenverkehrssektor gewisse Existenzängste auslöst – bedingt durch den steigenden internationalen Wettbewerb oder durch natürliche Ereignisse wie Schneeausfälle, die wiederum auf klimatische Veränderungen zurückzuführen sind. Auch immense Investitionen und hohe Verschuldungen sind treibende Kräfte. Laut einer Studie der Eurac Research (Grundlagenstudie zur Situation des Beherbergungssektor in Südtirol) herrscht ein großer Druck durch die unklare Preispolitik zwischen den Betrieben. Zudem gibt die Studie an, dass nur ein geringer Anteil der Betriebe Marktforschung betreibt. Ohne ein klares Konzept fehlt die Orientierung und so entstehen häufig unnötige Dinge.

 

SCHLUSSWORT
Meine Arbeit an diesem Werk ist nun schon einige Jahre her und mit Sicherheit nicht vollständig. Es kann wohl nie zu 100 % abgeschlossen sein, aber im Moment ist es das. Wer weiß: Vielleicht setze ich meine Sonntagsausflüge irgendwann mal wieder fort, auch in der Überzeugung, dass dieses Thema prädestiniert ist für ein Langzeitprojekt. Was nach dem ersten Abschluss geblieben ist? Mich persönlich fasziniert nach wie vor die Frage, was mich als Fotograf veranlasst hat, diese Motive als hässlich und störend zu definieren und entsprechend einzufangen. Schließlich musste ich sie ja irgendwie auch als schön empfinden, sonst hätte ich sie wohl nicht fotografiert? Nun zeige ich reihenweise hässliche Dinge, vielleicht auf interessante Art und Weise fotografiert und zusammengestellt. Dinge, die zwar wenig unserem Verständnis von Schönheit entsprechen, jedoch eine Aussage vermitteln. Und vermutlich war am Ende genau das meine Absicht: Bilder festzuhalten, die ihr fragwürdiges Motiv sprechen lassen. Was kann dieses fotografische Werk bewirken? Wäre ich ein Träumer, würde ich mir vorstellen, wie meine Arbeit bestenfalls ein Umdenken des Einzelnen initiieren und dann Südtirol veranlassen würde, die gesamte Tourismuspolitik zu überarbeiten und auf einen naturnahen Tourismus umzustellen. Wäre ich ein visionärer Träumer, würde ich mir ausmalen, wie das wiederum eine Kettenreaktion auslösen und zuerst Italien, Europa und schließlich die ganze Welt zu einer besseren machen würde. Doch ich bin ein am Boden gebliebener Realist. Viele Betrachtenden meiner Bilder werde ich zum Schmunzeln bringen. Einige werden für einen kurzen Augenblick innehalten und denken: „Stimmt, eigentlich ist das echt verrückt.“ Und wieder andere werden den (heimlichen) Gedanken hegen: „Da will ich auch hin.“ Was kann dann schlussendlich meine Befriedigung und Genugtuung sein? Fotografie verfügt über die Fähigkeit, die Vergangenheit und die Gegenwart aufzuzeigen. Dieser Gedanke gefällt mir. So hinterlasse auch ich etwas Bleibendes, gebe diesem meinen Namen und zeige: „So ist es gewesen.“ (Quelle: Barthes, Die helle Kammer)

Und wer weiß, wie es noch werden wird.

Freie Arbeit | Bilder © Fabian Haspinger | seit 2018

Ausstellungen:
2024 „Die Welt ist nicht genug“ Alpines Museum München (D)
2023 „Die Welt ist nicht genug“ Rathaus Bruneck (I)
2022 „Im Reich der Fanes 2.0“ Fotoforum Innsbruck (A)
2021 „Die Welt ist nicht genug“ Wanderausstellung Naturparkhäuser Südtirol (I)
2019 „Die Welt ist nicht genug“ Photo & Adventure Wien (A)